Alpirsbach – Wolfach (ca. 22 km)

Als ich am 04.05.19 in Alpirsbach los laufe ist das Wetter recht unbeständig. Am Morgen hat es geregnet, aber als gegen Mittag der Himmel aufreißt, möchte ich doch noch los und meine zweite Etappe auf dem Jakobsweg durch den Schwarzwald laufen. Gegen 13 Uhr starte ich direkt in Alpirsbach am Kloster.

Gleich zu Beginn überquere ich die Muggelbruck (eine gewölbte Steinbrücke, die bereits 1778 erbaut wurde) und muss irgendwie spontan an Harry Potter denken… 😊

Die „Muggelbruck“

Es geht am Friedhof vorbei und der Weg steigt den Berg an. Von oben hat man eine sehr schöne Aussicht auf Alpirsbach, das sich das Tal entlang zieht.

Zum Stadtteil Alpirsbach-Rötenbach geht es wieder hinunter – zur viel befahrenen Bundesstraße. Parallel zur Bahnlinie erreiche ich endlich wieder einen schönen Schotterweg und laufe in den Wald. Außer mir „Verrückten“ scheint heute, bei diesem unbeständigen Wetter, niemand unterwegs zu sein.

Im kleinen Weiler Reilinsberg komme ich an die historische Grenze zwischen dem Königreich Württemberg und dem Großherzogtum Baden. Der Grenzpfahl ist richtig schön gestaltet… und eine echte Jakobsmuschel ist auch gut sichtbar angebracht. Die Wolken haben sich gegen mich verschworen und ziehen schon wieder zu. Macht nix… ich bin gut ausgerüstet und so ein bisschen Regen schadet nicht. Denke ich…

Historischer Grenzpfahl

Es geht wieder in den Wald. Dort kommt mir eine Gruppe von circa 10 Männern mitten im Wald entgegen. Jeder mit einer Bierflasche in der Hand. Was machen die hier?? Kurz wird es mir etwas mulmig. Aber nachdem sie mich freundlich grüßen und schnurstracks an mir vorbeilaufen, verfliegt dieses Gefühl. Trotzdem gucke ich mich nochmals kurz um.

Kurz bevor ich in Schenkenzell ankomme fängt es an zu regnen. Na toll. Ok, Regenklamotten raus. Ich werde trotzdem pitschnass…

Pilgerstein aus Sandstein in Schenkenzell
„Unser ganzes Leben sind wir unterwegs. E Ultreia!“

In Schenkenzell besuche ich die Kirche St. Ulrich. Ich gebe die Hoffnung nicht auf – es hört bestimmt bald wieder auf zu regnen. Auf dem Friedhof, der direkt um die Kirche herum liegt, gibt es eine öffentliche Toilette mit einem Mini-Heizstrahler. Ich trockne mir meine Hose so gut es geht.

Es gießt zwischenzeitlich wie aus Eimern und ich bin kurz davor aufzugeben. Soll ich zum Bahnhof? Das wäre aber echt schade. Wegen dem „bisschen“ Regen… Wenn es auf meinem Jakobsweg in Portugal regnen sollte, kann ich auch nicht einfach abbrechen und wann anders weitermachen. Also: Zähne zusammenbeißen.

In Schenkenzell biegt der „Kinzigtäler Jakobusweg“ Richtung Wittichen ab. Aber ich möchte ja auf dem Jakobsweg zur Burgundischen Pforte bleiben und laufe weiter in Richtung Freiburg. Den Bahnhof beachte ich nur kurz, um nicht der Versuchung nachzugeben und mich doch noch in einen Zug zu setzen. Mistwetter!

Es geht aus Schenkenzell hinaus und leicht den Berg hoch Richtung Schenkenburg. Auf halber Höhe geht der Regen in Schnee über. Hallo? Es ist Anfang Mai!!

Die Schenkenburg bei Schneefall

Als ich in Schiltach ankomme, liegt tatsächlich eine dünne Schicht Schnee auf den Autos. Ich bin wieder ziemlich nass geworden und steuere zielstrebig ein Café an.

Das habe ich mir jetzt verdient…

Zum Glück gibt es auf der Toilette des Cafés einen großen Heizkörper, den ich liebevoll minutenlang umarme. Danach ist meine Hose wieder annähernd trocken und ich selbst nicht mehr ganz so durchgefroren.

Schiltach ist ein sehr schönes Städtchen. Ich bin heute nicht zum ersten und bestimmt auch nicht zum letzten Mal hier. Mir gefallen die schönen Fachwerkhäuser sehr. Nachdem ich also meinen Cappuccino getrunken, den Kuchen gegessen und Freundschaft mit einem Heizkörper geschlossen habe, geht es wieder raus aus dem Städtchen.  Mein Tagesziel Wolfach ist noch ca. 10 km entfernt.

Ich komme an ein paar schönen Höfen vorbei und laufe immer wieder direkt an der Kinzig entlang, die hier schon ziemlich an Breite gewonnen hat.

Als ich wieder im Wald bin fängt es tatsächlich an zu graupeln. Das gibt es doch nicht. Was ist denn heute los? Eine kurze Pause an einem Holzstapel breche ich dann auch ziemlich schnell ab, da sich der Graupelschauer zu einem ausgewachsenen Gewitter wandelt. Langsam reicht es mir. Hätte ich doch in Schenkenzell abbrechen sollen? Nein! Undenkbar.

Was für ein Wetter! Die obersten Bäume sind ganz weiß.

In Halbmeil finde ich direkt am Weg tatsächlich wieder eine öffentliche Toilette, die sich hier im Gebäude der Freiwilligen Feuerwehr befindet und schließe dort eine neue „Heizungs-Freundschaft“.

Aus Halbmeil raus ist der Weg nicht so toll – nur Asphalt. Die Landschaft ist jedoch schön.

Hinter Halbmeil

Aber es geht bald wieder in den Wald. Dann wird der Weg schmäler, es wird ruhiger… und steiler. Viel steiler. Sehr viel steiler. Und matschig.

Bald schnaufe ich wie eine Dampflok – aber es lohnt sich. Ich erhalte meine Belohnung für diese Bemühungen in Form eines grandiosen Blicks auf die sehr idyllisch gelegene St. Jakob-Kapelle. Kurze Zeit später stehe ich jedoch vor verschlossener Tür, da sie heute leider nicht geöffnet hat. Sehr schade.

St. Jakob-Kapelle

Hinter der Kapelle verzweigt sich der Jakobsweg. Ein Weg führt oberhalb von Wolfach entlang, der andere durch Wolfach durch. Hinter dem Städtchen vereinen sich die beiden Wege wieder.

Da mich mein höchstpersönlicher „Jakobsweg-Taxi-Service“ in Wolfach abholt, nehme ich natürlich den Weg hinunter nach Wolfach. Als ich aus dem Wald herauskomme, kann ich mein „Taxi“ schon erkennen.

Heute bin ich wirklich stolz auf mich. Ich habe meinen inneren Schweinehund überwunden und den Weg nicht abgebrochen, trotz des wirklich miesen Wetters. Und den Platz auf dem Sofa habe ich mir jetzt tatsächlich auch mehr als verdient.

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